17) Verliebt sein ist keine Liebe
- Stufen der Liebe -
Sicherlich ist es die eigentliche Aufgabe des Menschen, die Wahrheit, Gott zu entdecken und zu lieben. Gerade in der Entdeckung des Wahren findet sich die Liebe, und diese Liebe in den zwischenmenschlichen Beziehungen wird eine andere Zivilisation, eine neue Welt schaffen. - Jiddu Krishnamurti
In der westlichen Welt - wenn der Hunger gestillt ist, die Heizung funktioniert und der Kaffe duftet - ist die Liebe zum Glücksrezept geworden: wer glaubt sie zu haben, hält an ihr fest, wer sie vermisst, sucht mit allen Mitteln nach der kleinen oder grossen Liebe, um glücklich zu werden.
Was ist aber die Liebe, und wie findet man sie? Wir suchen oft die Liebe, die wir bereits kennen und glauben, verloren zu haben.
Krishnamurti sagt, dass Aufgabe des Menschen ist, die Wahrheit zu entdecken, und dass über die Entdeckung der Wahrheit sich die Liebe findet. Die Liebe finden wir somit nicht in Online Portalen oder in der Disko. Wir finden sie auch nicht, wenn wir Liebe suchen, sondern wenn wir die Wahrheit finden, wenn wir in Wahrheit leben.
Verliebt sein ist keine Liebe, sondern ein Zustand, in dem wir meist aus unserer Mitte heraus fallen: Wir verlieren uns und fokussieren uns voll auf unser Liebesobjekt. Denn der oder die Geliebte wird zum Objekt, von dem wir besessen sind und das wir besitzen wollen.
Wenn wir uns verlieben, verlieren wir uns. Dadurch bekommen wir eine Ahnung, wie wunderbar und befreiend es ist, aus der Enge des Ichs überzufließen. Es ist jedoch nur eine Vorstufe zur Liebe.
Ich habe bei mir und bei anderen folgende Phasen der Verliebtheit beobachtet:
- Verliebt sein aus Bedürftigkeit : Ich liebe (lies: ich meine zu lieben), um das zu bekommen, was mir fehlt. Ich liebe, um emotionale Zuwendung und Geborgenheit, Bewunderung und Bestätigung, Ansehen und gesellschaftlichen Status, Vermögen und materielle Sicherheit zu bekommen. In meiner Verliebtheit bin ich davon wie besessen, ich muss es haben und muss es behalten. Kontrolle, Eifersucht, Angst und Leid sind die Folgen.
- Verliebt sein als Projektion: ich liebe, was ich nicht habe oder nicht zu haben glaube: Kontaktfähigkeit, Leichtigkeit, Freude, Humor, Tiefe, Bodenständigkeit. Ich sehe es im Aussen und verliebe mich: Meine bessere Hälfte! Mit dir bin ich ganz! Es entsteht eine Symbiose, die auf die Dauer alles Lebendige in uns erstickt. Wir werden am Leben gehindert.
- Verliebt sein in die Liebe: Leben ist Liebe. Nicht-Lieben ist kein Leben. Ich liebe, also bin ich. Ich verliebe mich in die Schwingung des Liebens, ich will lieben, ich muss unbedingt lieben, um glücklich zu sein.
- Verliebt sein in die Liebefähigkeit : Kann ich lieben? Ich muss es mir beweisen: Ich kann lieben, also bin ich. Ich muss die Fähigkeit zu lieben besitzen, ich bin verliebt in die Fähigkeit zu lieben.
Entsprechend habe ich drei Stufen der unreifen Liebe beobachtet:
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Ich liebe, um geliebt zu werden. Ich liebe, nur wenn ich geliebt werde. Wenn mich jemand nicht (mehr) liebt, liebe auch ich ihn nicht mehr.
Ich liebe, um zu lieben. Ich kann auch lieben, wenn ich nicht geliebt werde, aber ich brauche jemanden, den ich lieben kann. Zur Not auch ein Hund. Auch hier wird der/die Geliebte zum Objekt.
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Ich liebe als Seinszustand, ich brauche niemand zum Lieben, ich liebe alle und die ganze Welt.
Bezeichnend für diese Liebe ist, dass es immer um mich geht: Es geht darum, dass ich mich als Liebender oder Liebende wahrnehme. Die Grenze zu Narzissmus ist fliessend.
Diese Liebe blendet oft den Schatten der Menschen aus, rechtfertigt es oder bagatelisiert es - was ein Hohn für diejenige ist, die vom Geliebten Unrecht erfahren haben.